Forschung statt Geschmack: Wenn die Wissenschaft im UX-Design den Unterschied macht

Beim Gedanken an das Auto als Transportmittel für den Sommerurlaub haben viele nicht nur die hohen Spritpreise im Blick. Sie erinnern sich auch an viel zu überfüllte Tankstellen, lange Wartezeiten sowie den damit einhergehenden Unmut der Reisenden. Jeder Kassenvorgang dauert gefühlt eine halbe Ewigkeit, was für niemanden lukrativ ist. Genau an dieser Stelle kann UX-Design einen entscheidenden Unterschied machen, wie der Produktarchitekt Dennis Lenard erklärt.

Dennis Lenard ist Gründer sowie Geschäftsführer der UX-Design-Agentur Creative Navy

Indem man die Benutzeroberfläche des Kassensystems optimiert, beschleunigt sich der Kassenvorgang, was wiederum zu kürzeren Wartezeiten führt. Das ist nur eines von vielen Beispielen die beweisen, wie wirkungsvoll optimales UX-Design sein kann. Viel zu oft wird der Begriff jedoch auf die reine Ästhetik beschränkt, was einen erheblichen Einfluss auf die tatsächliche Anwendbarkeit einer Technologie hat. Die Ausführung des obigen Beispiels zeigt, warum das genauere Hinsehen unabdingbar sein sollte.

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Ehrlich und transparent

Wer bei UX-Design an reine ästhetische Aufmachung denkt, liegt absolut falsch. Bei der Gestaltung der User Experience geht es darum, zu verstehen, was Nutzer:innen brauchen und wie sie bestmöglich an die gewünschten Informationen bzw. Touchpoints kommen. Nur ein vorangestellter Forschungsprozess offenbart die exakten Details zu jenen Fragen und denkt dabei sogar noch weiter. Evidenzbasiertes UX-Design analysiert breitflächig das ganze Setting, die Vorgehensweisen beim Benutzen der Technologie sowie spezifische Merkmale der Nutzenden. Beispiele sind die Distanz zwischen dem Handscanner und den Buttons oder die Hand, mit der das jeweilige Gerät bedient wird. All diese Insights werden zusammengefügt und kreieren ein Bild davon, wo es bisher gehakt hat oder wie die zukünftige Benutzeroberfläche aussehen muss, um optimal zu funktionieren. Durch das transparente, ehrliche und exakte Abbild der idealen Verwendung lässt sich die Anwendung entsprechend gestalten. Nur so entsteht das bestmögliche Ergebnis.

Wissenschaft deckt Fehler auf

Beim obigen Raststätten-Beispiel entscheiden sich Besucher:innen oftmals dazu, einen Kaffee zu trinken oder ein Brötchen zu essen. Die bisherige Benutzeroberfläche des Menüs an der Kasse hat hierzu Fotos abgebildet, schließlich sind diese in unserer Vorstellung einfacher zu erfassen. Tatsächlich ist es bei Kaffee aber genau andersherum. Bilder der einzelnen Sorten ähneln sich so sehr, dass Kassierer:innen länger für das Finden des richtigen Produktes brauchen, als wenn dort die Namen der Spezialitäten stünden. Solche Probleme werden erst dann ersichtlich, wenn die Anwendungsfälle mit wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeglichen werden. Ein operativer Design-Wechsel des Kaffee-Menüs an der Kasse kann – da es sich um das meistverkaufte Produkt handelt – signifikant Zeit einsparen. Der ausschließliche Bezug auf die Ästhetik hätte wohlmöglich eine rein visuelle Benutzeroberfläche gewählt, die weder zeitsparend noch sonderlich benutzerfreundlich gewesen wäre.

Die Antwort lautet nicht Ästhetik – sondern Relevanz

Sobald Nutzer:innen in den Kontakt mit einem technologischen Produkt kommen, nehmen sie an erster Stelle die optische Aufmachung wahr. Die Ästhetik der Oberfläche ist demnach wichtig, um bei Benutzer:innen positive Emotionen zu generieren. Gerade bei professionellen Produkten der kritischen Infrastruktur wie der Medizin- oder Automobilbranche bringt die Aufmachung allerdings wenig, wenn die effiziente Anwendung hakt. Was der Ästhetik zugrunde liegen sollte, ist somit eine bestmöglich nutzbare Oberfläche.

Um dieses Fundament zu bauen und anschließend zu designen, muss die Wissenschaft herangezogen werden. Andernfalls würde die Arbeit nur auf Vermutungen basieren und oftmals geht dabei der Bezug zur konkreten Situation verloren. Evidenzbasiertes UX-Design macht hier den wesentlichen Unterschied und garantiert ein leistungsstarkes Interface. Designer:innen sollten sich, gerade in der kritischen Infrastruktur, ihrer Verantwortung bewusst sein und niemals den einfachsten Weg wählen – denn dieser ist nie der beste!

Im genannten Beispiel führt das angepasste Menü zu geringeren Warteschlangen, mehr Freude auf der Raststätte und höheren Umsätzen der Tankstelle. Mitarbeiter:innen sind weniger frustriert und auch Neuangestellte lernen deutlich schneller, die Technologie zu bedienen, wodurch erneut Unzufriedenheit wegfällt und Zeit gespart wird.

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