Um sich im Wettbewerb abzuheben, wird eine gute Customer Experience immer wichtiger. Das von Berlin, Köln und Hannover aus operierende Unternehmen Tållbeard erforscht das menschliche Verhalten entlang der Customer Journey und hilft namhaften Firmen bei ihren Projekten. Im Interview mit den GFM Nachrichten erläutert Gründer und Geschäftsführer Mark Drexler, was Tållbeard leisten kann und wo bei der Customer Experience in Deutschland noch Nachhol- bzw. Verbesserungsbedarf besteht.
Wie unterstützt Tållbeard andere Unternehmen?
Wir unterstützen unsere Kunden beim Wachsen und Erreichen ihrer Ziele, indem wir Design, Innovation, Research, Geschäft und die Bedürfnisse der Nutzer und Stakeholder zusammenführen. Wir untersuchen menschliches Verhalten und Bedürfnisse entlang der Customer Journey mit qualitativem Research, Psychologie, Big Data Analytics und neuester Technik aus der biometrischen Forschung.
Das, was ein Mensch bei der Nutzung von Services und Produkten an den Touchpoints (Apps, Webseiten, POS, TV, IoT, Kiosksysteme etc.) sieht, verwendet und fühlt, können wir durch relevante Innovation gestalten: bei der Banking-App das Vertrauen, beim Auto-Cockpit die Übersicht, beim Bot die natürliche Art der Kommunikation und beim Service, wie gut und sicher man sich aufgehoben fühlt.
Außerdem helfen wir Unternehmen, sich von einer kunden- zu einer erfahrungsorientierten Organisation zu entwickeln. Weg von einem Wertschöpfungskettenmodell mit Silos hin zu einem erfahrungszentrierten Modell, das tiefer und breiter ist und neue Kompetenzbereiche in die Organisation integriert.
Was macht eine gute Customer Experience aus?
Um zu verstehen, was eine GUTE Customer Experience ist, muss man erst einmal verstehen, was überhaupt hinter dem Begriff Customer Experience steckt.
Die Customer Experience entlang der Kundenreise ist die Summe aller Interaktionen, die ein Kunde mit einer Marke während der gesamten Dauer der Beziehung mit einer Marke hat. Sie beinhaltet die Gefühle, Emotionen und Wahrnehmungen dieser Interaktionen auf dem Weg und entlang des Weges, also auch der Zeit zwischen einer Aktion des Nutzers und der Reaktion der Marke. Der letzte Teil ist wichtig, denn wie wir uns nach einer Interaktion fühlen, diktiert sicherlich (oder veranlasst uns zu überdenken), ob wir wieder mit der Marke Geschäfte machen werden – und diese eventuell weiterempfehlen.
Die positive Kundenerfahrung sicherzustellen, ist der Job von jedem im Unternehmen – vom CEO bis zum juniorigsten Mitarbeiter. Denn jeder Mitarbeiter, ob er es weiß oder nicht, hat einen Einfluss auf den Kunden. Auch wenn man nicht direkt mit Kunden zu tun hat, unterstützt man höchstwahrscheinlich jemanden, bei dem es so ist. Daher muss jeder die Vision des Unternehmens in Bezug auf Kundenservice und Kundenerfahrung verstehen. Falls das Unternehmen dazu noch keine Vision hat, sollte man diese implementieren – dabei kann Tållbeard unterstützen.
Jeder im Unternehmen muss richtig geschult werden und die richtigen Methoden kennen, um diese Vision umzusetzen. Sicherlich werden die Mitarbeiter an der Frontstage zum Kunden anders geschult als jemand hinter den Kulissen in der Buchhaltung oder im Lager, aber jeder sollte das nötige Wissen haben, um diese Vision zu erfüllen. Das ist es, was die besten kundenfokussierten Unternehmen tun. Sie haben eine klare Definition, was eigentlich die Vision der eigenen Kundenerfahrung ist. Sie kommunizieren sie ständig, um die Vision in Erinnerung zu bringen und zu verstärken.
Erfolge sogenannter Hero Journeys werden gefeiert und im ganzen Unternehmen kommuniziert. Die Mitarbeiter schulen sich dafür. Und sie stellen nach dieser Vision auch neue Mitarbeiter ein. Dies sind die Grundlagen für eine Kultur, die sich darauf konzentriert, ein hervorragendes Kundenerlebnis zu bieten. Das ist schon mal der wichtigste Punkt, um eine gute Experience vor Kunden zu erreichen.
Wenn es um die Produkte und den Service geht, die die Touchpoints einer Journey bilden, sollte ein großartiges Kundenerlebnis immer personalisiert, zeitnah, relevant, mühelos/einfach, nahtlos, bemerkenswert, einprägsam und über alle Touchpoints der Reise konsistent sein. Konsistenz ist eine wichtige “Meta-Qualität”, da eine Marke einheitlich auftreten muss, egal wo Kunden ihr gerade begegnen. Das machen immer noch die wenigsten. Meist gibt es keine einheitliche Sprache bei Design, Wording, Interaktion, Werbung, Service und ähnlichem. Konsistenz setzt Erwartungen und schafft Vorhersehbarkeit. Und das führt zu Vertrauen. Wenn eine Marke das Vertrauen eines Kunden verdient hat, ist die Beziehung solide.
Aber ohne regelmäßige Überprüfung und Verbesserung der eigenen Experience und gegenüber den Entwicklungen des Marktes wird eine heute noch sehr gute Experience schon in wenigen Jahren oder sogar Monaten wieder Vergangenheit – und eine schlechte – sein.
Wo sehen Sie in Deutschland den größten Verbesserungsbedarf in dieser Hinsicht?
In deutschen Unternehmen werden Customer Experience-Projekte vor allem von IT- oder Marketing-Abteilungen geleitet. Noch. Im ersten Fall wird oftmals eine veraltete IT-Struktur zum Hauptgrund schlechter Experiences. Über Jahrzehnte entstanden IT-Silo-Systeme, die sehr schlecht bis gar nicht miteinander kommunizieren. Dabei ist eine gute IT-Infrastruktur der Schlüssel für eine gute Customer Experience. Im IT-Bereich hat man aber weder die Governance noch das Wissen, diesen Schlüssel auch Richtung Kunde umzulegen.
Ähnliches gilt beim Marketing. Die Marketers bewerten die Qualität eines Experience-Touchpoints oft mit quantitativen Untersuchungsmitteln. Ein Ergebnis ist der NPS, der nichts über die tatsächliche Qualität der Nutzung an den Touchpoints aussagt. Vom Management wird er aber oftmals immer noch als DIE Bewertung der Weiterempfehlung genutzt.
Dann fehlt es in den meisten Firmen an der CX-Governance. Das heißt an der Bereitschaft des obersten Managements, die Customer Experience ernst zu nehmen und mit den notwendigen (finanziellen) Mitteln in der Qualität voranzutreiben. Und plötzlich erschrecken sich alle, wenn kleine Startups genau an der Stelle – der Experience vor Kunden – die eigene Unternehmung disruptiv angehen. Banken, Energiewirtschaft, Mobilität – überall passiert das gerade.
Das Credo “Dein Kunde gibt deiner Unternehmung erst Sinn. Ohne diesen hat deine Unternehmung keinen Zweck” sollte deshalb in jeder Firma verinnerlicht werden – es stammt übrigens von mir. Das obere Management in Deutschland sucht allerdings meist immer noch die Antworten auf die wirtschaftlichen Fragen bei Kosten, Finanzen, Organisation und Mitarbeitern. Der Fokus auf dem Kunden, dessen Bedürfnissen und der Experience fällt somit anscheinend an die letzte Stelle.
Dementsprechend investieren viele deutsche Unternehmen weiterhin nicht genug in die relevanten Kanäle und Maßnahmen, welche eine steigende und bleibende Kundenzufriedenheit sicherstellen könnten. Und wenn es doch einmal getan wird, kommen meistens veraltete Analysemethoden und Umsetzungsmaßnahmen zum Einsatz.
In Deutschland sehe ich tatsächlich den größten Verbesserungsbedarf bei der Customer Experience-Vision und Governance. Und im Umdenken von einer angsterfüllten digitalen Zukunftssicht in eine positive, die Chancen sieht und umsetzt. Es gibt viel Tolles zu tun, nicht nur Richtung Customer Experience – mit den heutigen und kommenden Möglichkeiten, die die digitale Transformation mit sich bringt.
Tållbeard unterhält Büros in Berlin, Köln und Hannover, die aber zusammen ein Team bilden sollen. Gibt es vor Ort jeweils spezielle Kompetenzen?
Tållbeard war schon immer remote und mit gemischten Teams am Ball. Das hat mit den Standorten nichts zu tun. Da trennen wir nicht nach Disziplinen. Aber nur in Berlin haben wir eins der modernsten Labore für apparative und biometrische Forschung in Europa.
Zu den Referenzkunden zählen unter anderem die Deutsche Bank, Sony, die Telekom, adidas oder Siemens. Kann auch der Handel von Ihren Services profitieren?
Auf jeden Fall. Fast jede der Marken, mit denen wir arbeiten, hat am Ende mit Verkaufen zu tun. Sony mit dem Verkauf von Laptops, Telekom mit dem Verkauf von Abos und Horizn-Studios mit dem Verkauf von Reisegepäck.
Bei allen optimieren und verbessern wir einerseits die Brand Experience, also das Gefühl zur Marke, und andererseits die Conversion Rate, also wie viele eigentlich nach dem Stöbern auf Kaufen klicken. Wir haben durch die Arbeit unserer Research-, Innovation-, Design- und Entwicklungs-Teams teilweise Verbesserungen von über 300 Prozent in den Conversion-Rates.
Gerade der Handel differenziert sich im Moment mehr und mehr mit einer gut geplanten und aufgebauten Customer Experience. Und lebt von wiederkehrenden Kunden und Empfehlungen.
Ist eine weitere Expansion bzw. die Einführung zusätzlicher Services geplant?
Wir werden noch weiter expandieren, aber gesund. Nicht umsonst schreiben wir uns das Thema Nachhaltigkeit auf die eigenen Fahnen. Und wir wollen uns untereinander auch immer noch mit Namen kennen. Das kann bei größeren Teams zum echten Problem werden, gerade kulturell.
Wir sind gerade dabei, die Themen Business Design und Consulting weiter aufzubauen. Außerdem kümmern wir uns mehr um Eigenentwicklungen, auch im Bereich IoT und Virtual & Mixed Reality. Das geben die neuesten Möglichkeiten in dem Bereich einfach her.
Vielen Dank für das Gespräch!