Der erste 24-Stunden-Markt der Adolf Würth GmbH hat im vergangenen Jahr viel Aufmerksamkeit erhalten. Technisch umgesetzt wurde er von der Wanzl Metallwarenfabrik GmbH. Im Interview gibt Jürgen Frank, Geschäftsbereichsleiter Shop Solutions bei Wanzl, Einblicke in die Entwicklung des Konzepts.
Die erste Würth24-Filiale wurde im bayerisch-schwäbischen Vöhringen eröffnet. Inzwischen wird das Konzept flächendeckend ausgerollt. Jürgen Frank zeigt im Interview Möglichkeiten, wie sich der stationäre Handel im Wettbewerb mit dem E-Commerce behaupten kann. Dabei berichtet er auch, was die Partner während der Konzeption und nach der Eröffnung der ersten Würth24-Filiale gelernt haben.
GFM Nachrichten: Herr Frank, Wanzl hat die Filiale Würth24, in der Verbraucher 24 Stunden am Tag im Selfservice einkaufen können, umgesetzt und damit für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Was hat Wanzl dazu gebracht, dieses Projekt durchzuführen?
Jürgen Frank: Bei Würth24 konnten wir unsere technischen und digitalen Kompetenzen sowie die Erfahrungen aus dem Handel perfekt zusammenbringen. Das Ziel war es, als ganzheitlicher Systemanbieter eine Gesamtlösung umzusetzen, die von der Authentifizierung des Kunden über das automatisierte Scannen von Waren bis hin zum Check-out reicht. Generell war die Zusammenarbeit mit Würth partnerschaftlich geprägt und wir haben das Projekt ab dem ersten Schritt in enger Abstimmung vorangetrieben.
GFM Nachrichten: Wessen Idee war Würth24? Kam der Händler auf Sie zu oder hat Wanzl dies vorgeschlagen?
Jürgen Frank: Die Idee kam seitens Würth. Mit Würth24 sollte die optimale Verknüpfung von stationärem Handel und E-Commerce erfolgen. Dieser Ansatz hat uns begeistert, weil wir glauben, dass genau darin die Zukunft im Handel liegt. Würth-Kunden konnten ja schon vorher über diverse Kanäle ihre Ware rund um die Uhr beziehen, nun eben auch in der stationären Filiale. Wir haben zu Beginn erst einmal sehr viele Fragen gestellt, um die Anforderungen von Würth zu verstehen. Danach wurden unterschiedliche technische Ansätze diskutiert und deren Machbarkeit geprüft. Uns war es dabei wichtig, nicht nur ein einmaliges Leuchtturmprojekt zu schaffen, sondern wirtschaftlich skalier- und multiplizierbare Lösungen. Daher standen für uns stabile Abläufe und Prozesse erst einmal im Vordergrund und die Technik war eher nachgeordnet. Das Ergebnis gibt unserem Ansatz Recht. Würth24 ist ein Vorreiterprojekt geworden, was der nun begonnene flächendeckende Roll-Out zeigt.
Kunden an Würth24 heranführen und einbinden
GFM Nachrichten: Gab es bei der Umsetzung unerwartete Hindernisse?
Jürgen Frank: Bei Würth24 muss die App für den Zutritt aktiv genutzt werden und funktioniert nur, wenn auch eine Internetverbindung vorhanden ist. Leider ist eine durchgehende Netzabdeckung nicht überall und fortwährend in Deutschland gegeben. Grundsätzlich bietet Würth24 zudem eine neue Art des Einkaufens, an die Kunden erst einmal herangeführt werden müssen. Würth hat hier Pionierarbeit geleistet und Handwerker gezielt angesprochen. Und wie meistens bei Pilotprojekten gibt es immer Potenzial zur Weiterentwicklung. Würth hat seine Kunden aktiv befragt, um Verbesserungsmöglichkeiten zu eruieren. Mit Erfolg. Wenn man die erste Filiale in Vöhringen mit den neueren Würth24 Stores in Waiblingen, Ludwigsburg, Esslingen, Mannheim, Ulm und Kempten vergleicht, sieht man die Optimierungsprozesse, beispielsweise das Instore Radio oder auch die direkte Ansprache von Einkäufern über Screens.
GFM Nachrichten: Wie sind die bisherigen Erfahrungen mit der Filiale?
Jürgen Frank: Das Konzept wird sehr gut von der Zielgruppe angenommen. Vor allem zu den Randzeiten und an Samstagen sind die Filialen stark frequentiert. Für uns genauso wichtig: Die Technik funktioniert stabil und einwandfrei.
Worauf Händler achten müssen
GFM Nachrichten: Das Konzept lässt sich ja auf so gut wie jede Branche anwenden. Worauf müssen Händler beim Start eines 24-Stunden-Selfservice-Ladens achten?
Jürgen Frank: Ein 24h-Storekonzept darf aus unserer Sicht kein alleinstehendes Projekt sein. Es muss zwingend in ein Gesamtkonzept eingebunden werden. Es geht nicht um die Frage, ob Online- oder Offline-Vertriebskanälen die Zukunft gehören wird, sondern darum, wer die Vorteile beider Systeme am besten verbindet und nutzt. Dabei ist es wichtig, sich nicht von potenziellen Risiken, zum Beispiel hinsichtlich einer steigenden Inventurdifferenz durch Diebstahl, abschrecken zu lassen. Auch hierfür haben wir effektive Lösungen. Nicht zuletzt müssen gesetzliche Bestimmungen genau geprüft werden, denn bundesweit gibt es dazu unterschiedliche Regelungen.
GFM Nachrichten: Neben 24-Stunden-Shopping gibt es ja noch weitere neue Lösungen, die den stationären Handel wieder attraktiver für Verbraucher machen sollen. Was sehen Sie hier besonders weit vorne?
Jürgen Frank: Dem Kunden muss ein Erlebnis beim Einkaufen geboten werden, um ihn in die Supermärkte zu holen. Zum einen durch Themenwelten und eine Warenpräsentation, die Genussmomente schafft. Gerade Frische und Convenience sind auf dem Vormarsch. Zum anderen muss das Einkaufen ohne langes Suchen oder Warten möglich sein. Beispielsweise durch Containerlösungen an hochfrequenten Plätzen. Hier decken sich zeithungrige Verbraucher mit Gütern des täglichen Bedarfs ein – schnell und barrierefrei. Diese Kunden schätzen das Format aufgrund seiner günstigen Lage, den verlängerten Öffnungszeiten und des One-Stop-Shoppings, ohne an der Kasse stehen zu müssen. Zudem sehen wir in Kleinstshop-Formaten einen weiteren Trend. Vergleichen Sie die Innenstadtkonzepte von Ikea mit ihren SB-Möbelhäusern. Das kommt auch im LEH. In verdichteten Strukturen in Innenstädten wird das Konzept von Urban Stores, also Minimärkten, wachsen, die sich zumeist auf spezielle Warengruppen konzentrieren. Hier kauft der Konsument wohnortsnah vor allem frische Waren. Sie ersetzen quasi den Kühlschrank.
Click&Collect ist wichtiges Puzzlestück
GFM Nachrichten: Wanzl ist kürzlich eine Partnerschaft mit Renz eingegangen, um Click&Collect-Lösungen anzubieten. Welche Rolle spielen solche Lösungen für den Handel der Zukunft?
Jürgen Frank: Diese Lösungen sind ein wichtiges Puzzle-Stück in der Versorgung. Aus einem einfachen Grund: Kunden springen heute zwischen den Vertriebskanälen hin und her. Kanäle sind teilweise nicht mehr abgrenzbar. Die Antwort darauf ist: Customer Centricity. Je nach Bedarf, Zeit und Gemütslage passt sich der Handel bzw. der „Kunden-Touch Point“ individuell an den jeweiligen Käufer an. Online bestellen, stationär abholen oder von Lieferdiensten bringen lassen – für Bücher, Mode und Co. schon lange selbstverständlich. Mit der myRENZbox wird das nun auch für Lebensmittel möglich.
GFM Nachrichten: Reicht es dem stationären Handel, solche Lösungen einzuführen, um gegen die Online-Konkurrenz bestehen zu können?
Jürgen Frank: Wie bereits gesagt: Das Kundenverhalten ändert sich. Es geht daher nicht darum, sich für online oder offline zu entscheiden, sondern darum, die Kanäle sinnvoll zu verschmelzen und den Kunden je nach Bedarf individuell anzusprechen und für sich zu gewinnen. Außerdem wird das Smartphone auch im stationären Handel eine immer wichtigere Rolle spielen. Es ist die digitale Kundenkarte der Zukunft. Per App verwaltet der Kunde ein Kundenkonto, on- wie offline mit den gleichen Zugangsdaten. Über die App authentifiziert er sich beim Supermarktzutritt über Gate-Lösungen, aktiviert sein Kundenkonto und entriegelt den Einkaufswagen über ein digitales Münzpfandsystem – daran arbeiten wir bereits. Eine zusätzliche Herausforderung werden die Verfügbarkeit und Kosten qualifizierten Personals. Deshalb wird ein optimierter Personaleinsatz in der Fläche immer wichtiger. IT-gestützte Systeme geben Empfehlungen auf Basis erfasster Daten ab. Wann sind Kassen zu besetzen? Wo müssen Waren nachbestückt werden, um Out-of-Stock-Situationen zu vermeiden? Auch hierfür haben wir bereits erste technische Lösungsansätze.