Der digitale Produktpass kommt: Was Unternehmen wissen müssen

Wer auf Reisen geht, braucht in der Regel einen Pass. Nun hat die EU beschlossen, dass auch Produkte einen solchen Ausweis erhalten. Doch worum handelt es sich dabei? Welche Vorteile hat der digitale Produktpass? Und welche Rolle spielt das Produktinformationsmanagement? Niels Stenfeldt, CEO von inriver, klärt auf.

Niels Stenfeldt, CEO von inriver

Die klassische Reise eines Produktes verläuft meistens recht linear. Ein Unternehmen produziert es und verkauft es; der Verbraucher nutzt es und entsorgt es im Anschluss. Bleiben wir bei einem solchen Lebenszyklus, ist das alles andere als nachhaltig. Ziel ist es also, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu etablieren und damit der Verschwendung und der Umweltbelastung entgegenzuwirken.

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Die Idee dahinter ist einfach: Produkte, Komponenten und Materialien sollen idealerweise einen kreisförmigen Lebenszyklus durchlaufen, in dem sie kontinuierlich wiederverwendet und nicht dauerhaft entsorgt oder sogar zerstört werden. Das hat gleich eine doppelte Wirkung im Sinne der Nachhaltigkeit: Einerseits werden weniger Ressourcen verbraucht, andererseits weniger Abfall erzeugt. Einen solchen Kreislauf zu schaffen ist allerdings eine große Herausforderung und benötigt größtmögliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Hierfür müssen alle nachhaltigkeitsrelevanten Informationen entlang der gesamten Supply Chain aus den jeweiligen Produkten selbst hervorgehen.

Bisher fehlten uns diese Einblicke. Umso wichtiger ist die Einführung des digitalen Produktpasses (DPP), über die die EU erst kürzlich abgestimmt hat. Damit hat Europa die Messlatte in Sachen „sustainable future“ ordentlich angehoben.

1. Was ist der digitale Produktpass und welche Daten sind relevant?

Normalerweise bleiben wichtige Produktinformationen vor den Augen der Allgemeinheit verborgen: Aus welchen Materialien setzt sich ein Produkt im Detail zusammen? Wo und wie wurden die Rohstoffe gewonnen? Wie ökonomisch ist die Herstellung? Welche Transportwege nimmt ein Produkt auf sich?

Der DPP soll diese Lücken füllen. Dabei handelt es sich um einen Datensatz, der alle umweltrelevanten Daten rund um ein Produkt standardisiert, sowie übersichtlich und einfach einsehbar zusammenfasst. Diese Informationen werden von Anfang an – also ab Design-Phase – gesammelt und laufend aktualisiert. Der DPP ist jedoch kein Dokument im Papierformat. Stattdessen erhält jedes Produkt eine scanbare Komponente (NFC-Chip, QR-Code oder RFID-Tag).

Die EU hat bislang noch kein Regelwerk veröffentlicht, in dem die Voraussetzungen an den Datensatz definiert sind. Folgende Informationen dürften eine große Rolle spielen:

  • Allgemeines: Name, Fabrikat, Modell, Fertigungsnummer, Herstellungsort und -datum, Angaben zur Garantie
  • Material: Herkunft der Rohmaterialien und Komponenten, Angaben zu Zulieferern, chemische Zusammensetzung, Recyclingfähigkeit verwendeter Stoffe
  • Eigentum: Details zu aktuellen Besitzern und vergangenen Verkäufen, was besonders für langlebige Produkte relevant ist
  • Reparaturen: Informationen zur allgemeinen Reparierbarkeit, Details zu vergangenen Reparaturarbeiten (Ursachen, ausgetauschte Teile, Materialzusammensetzung ausgetauschter Teile)
  • Nachhaltigkeit: CO2-Fußabdruck bei Herstellungs- und Distributionsprozessen sowie während des Einsatzes

2. Für wen hat das welche Vorteile?

Mit der Einführung des DPP will die EU die größte Herausforderung angehen, die einer Kreislaufwirtschaft noch immer im Weg steht: Transparenz. Grundsätzlich soll jede Instanz, die in irgendeiner Form mit einem Produkt interagiert, auf dessen Informationen zugreifen und die zugrundeliegende Supply Chain nachvollziehen können. Davon profitieren verschiedene Bereiche:

  • Materialbeschaffer und Zulieferer, die sich für den Umweltschutz und die Mitarbeitersicherheit einsetzen, werden für transparente Prozesse belohnt. Stichwort: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
  • Reparaturdienste erhalten eine vollständige Übersicht über die Reparaturgeschichte eines Produkts – einschließlich der Ursachen, die zur Reparatur geführt haben. Dadurch lassen sich neue Fehler schnell finden und beheben.
  • Recycling-Einrichtungen können dank detaillierter Daten zur Produktzusammensetzung sowohl ihre Rückgabeprogramme als auch die Rückgewinnung von Materialien optimieren.
  • Regierungen und Behörden liegen Standards vor, mit deren Hilfe sie etwa die Compliance in Sachen Nachhaltigkeit nachvollziehbar überprüfen können.
  • Endverbraucher erhalten ausreichend Informationen, um fundierte Kaufentscheidungen zu treffen und selbst nachhaltiger zu konsumieren.

3. Wie also am besten auf den DPP vorbereiten?

Der DPP wird zunächst in der Kategorie „Batterien“ (Industrie und E-Fahrzeuge), gefolgt von Bekleidung, getestet und im Anschluss nach und nach in mehr als 30 Produktkategorien ausgerollt. Auch wenn noch nicht feststeht, wann welche Kategorie an der Reihe ist, sollten betroffene Unternehmen nicht bis zur letzten Minute warten. Idealerweise fangen sie bereits heute damit an, sich auf den DPP vorzubereiten. Doch was können sie tun?

Das Wichtigste ist, dass sie ihre Produktdaten zentral sammeln, ordnen sowie fehlende Informationen ergänzen und Wissenslücken füllen. Denn damit der DPP auf Dauer erfolgreich sein kann, müssen die Daten vollständig und konsistent sein. Eine Produktinformationsmanagement-Lösung hilft dabei, in den eigenen Produktdatensätzen für Ordnung zu sorgen. Außerdem sollten Unternehmen auch ihre internationalen Partner und Zulieferer über die bevorstehenden Änderungen zu informieren.

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