Die großen Konzerne der Welt vertrauen zunehmend auf die Lösungen von Spryker, um innovative Geschäftsmodelle umzusetzen. So arbeitet das Unternehmen beispielsweise mit dem US-Ableger von Aldi zusammen, um ein neues Online-Einkaufserlebnis für Lebensmittel umzusetzen – inklusive Lieferung und Curbside Pickup. Die GFM Nachrichten sprachen in Zusammenarbeit mit der E-Commerce Berlin Expo (EBE) mit Spryker-CEO Alexander Graf über den Grund für den anhaltenden Erfolg und seine Sicht auf die aktuelle Marktsituation.

Können Sie unseren Lesern kurz beschreiben, was Spryker genau macht?

Wir helfen Unternehmen, ihre Handelsströme zunehmend zu digitalisieren – Kunden online zu erreichen, Kunden online zu bedienen, das ganze Thema Multichannel/Omnichannel zu verknüpfen. Und da müssen sich Marken aus unserer Sicht entscheiden: Glauben sie, dass das Onlineerlebnis ein Differentiator ist oder ist das für die Marke bzw. das B2B-Unternehmen nicht relevant. Wir glauben, dass es für die meisten Firmen sehr wichtig ist, sich online differenzieren zu können, weil es darum geht, wie man bei einer Marke bzw. einem B2B-Unternehmen kauft. Die Unternehmen benötigen deshalb deutlich mehr Freiheiten bei der Auswahl ihrer Features und der Geschwindigkeit, mit der sie neue Funktionen ausrollen. Wenn man sich damit vom Markt abheben möchte, braucht man natürlich auch eine Software, die dies zulässt. Und da gibt es im E-Commerce-Bereich zur Zeit eigentlich nur uns, die das dafür notwendige Baukastenprinzip – also eine Composable Platform – anbieten. Dafür hat uns Gartner im letzten Magic Quadrant im Capability-Guide auf eins gesetzt.

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Wir glauben, das ist das mit Abstand am stärksten wachsende Segment. Das wächst vor allem im B2B-Umfeld, aber ebenso auch bei Geschäftsmodellen, die in sich sehr komplex sind, weil teilweise regional unterschiedliche Produkte, unterschiedliche Preise sowie unterschiedliche Liefer- und Verfügbarkeitsbedingungen orchestriert werden müssen. Das lässt sich natürlich nicht in einer Plattform bewerkstelligen, die dafür gebaut ist, ein Warenlager anzubinden und beim Checkout nur ein bis zehn Produkte im Warenkorb zu haben. Deswegen müssen sich Unternehmen heute entscheiden: Wollen sie online wettbewerbsfähig sein, also wollen sie genauso gut oder besser agieren als die anderen führenden Unternehmen am Markt? Oder sind sie online nur ein Marktbegleiter, der einfach mitschwimmt. Dann reicht natürlich auch Shopify. Wir sind komplett am anderen Ende des Spektrums, wir bedienen ausschließlich den Enterprise-Sektor.

Alexander Graf, CEO Spryker
Wie sieht es da mit den Kosten aus?

Preislich ist vor allem relevant, ob man mit seinem Geschäftsmodell ein eigenes Tech-Team unterhalten kann und ob sich das überhaupt lohnt. Wenn ich drei/vier Leute in einer Agentur bezahlen muss oder die bei mir auf der Payroll habe, kommen relativ schnell sechsstellige Beträge zusammen. Das ist dann nichts für ein Unternehmen, das vielleicht 5 oder 10 Millionen Euro Gesamtumsatz macht. Bei unseren Kunden geht es so bei 500 Millionen bis 1 Milliarde Euro los. Diese Unternehmen brauchen einen anderen Service, bei dem die Betreuung, die Delivery in verschiedenen Ländern und die Verträge sehr individuell ausgestaltet sind. Das können nur Enterprise-Plattformen gewährleisten.

Was raten Sie Unternehmen, die noch nicht so gut aufgestellt sind?

Tipp Nummer 1 ist natürlich Geschwindigkeit. Komplexität ist in der digitalen Welt nicht damit zu erledigen, dass man alle Stakeholder befragt, dann einen riesigen Entscheidungsbaum malt und dann zwei Jahre benötigt, bis der erste Schritt gegangen ist. Gute Manager schaffen es heute, komplexe Entscheidungen in kleine Teilprobleme zu zerlegen und dadurch auch schneller Ergebnisse vorzuweisen. Das bedeutet im E-Commerce-Umfeld, dass man nun nicht zwingend anfangen muss, die ganze Plattform einzustampfen und alles neu zu machen, um zukunftsfähig zu sein. Man sollte sich lieber überlegen, wo es in der eigenen Organisation einen Teil gibt, der heute schon Bock hat, der also über das notwendige Wissen verfügt und mit Leuten besetzt ist, die bereit sind, die Ärmel hochzukrempeln und an Veränderungen zu arbeiten. Wir nennen das immer die Koalition der Willigen. Dies schneller zu tun, ist tatsächlich ein Wettbewerbsdifferentiator. Damit wird es günstiger, damit hat man schneller Datenformat (?) und damit überholt man wahrscheinlich auch seinen direkten Wettbewerber.

Zudem ist es extrem hilfreich, sich kein Beispiel an Amazon zu nehmen, gerade weil viele Diskussionen der vergangenen Jahre immer sehr Amazon-zentriert geführt worden sind. Es ergibt keinen Sinn zu sagen: Wenn Amazon dies und das macht, dann sind wir aufgeschmissen. Es gibt so viele große neue Nischen, die Amazon auf seiner Plattform gar nicht richtig bedienen kann. Der Lebensmittelbereich ist nur ein Beispiel, bei dem Amazon in Europa völlig versagt hat. Wer kauft bei Amazon schon seine Lebensmittel? Es gibt auch viele andere Kategorien wie Audiotechnik oder Fahrzeuge. Es existiert ganz viel Umsatz, der jetzt noch online geht, wo andere Plattformen außerhalb von Amazon gefragt sind. Dort gilt es jetzt, sich dieses Potenzial zu erschließen und nicht irgendwie abzuwarten, dass es irgendjemand anders macht.

E-Commerce Expo 2023

In einer Sana Commerce-Studie kam heraus, dass die Managementebene nur wenig die IT-Ebene befragt, bevor sie losläuft und irgendwas macht, wodurch natürlich Kosten-Explosionen entstehen. Wie würden Sie das einschätzen?

Wir erleben es nicht so, dass da einfach jemand losläuft, eine Entscheidung über einen Plattform-Relaunch kann schon mal ein halbes Jahr bis ein Jahr dauern. Es wird oft vom Business getrieben, das stimmt. Allerdings hat die IT-Abteilung, um auf die Sana-Studie zurückzukommen, ja früher auch entschieden, ohne das Business zu fragen. Es scheint also quasi so eine Wellenbewegung zu sein. Wenn das Business sagt, dass alles zu langsam geht, ist das für die IT wichtig, das sie weiß, dass jetzt keine Entscheidung mehr in einem Cost Center getroffen werden muss. Das Business ist in der Enterprise-Commerce-Ecke mittlerweile durchaus der ausschlaggebende Faktor – aber da entscheidet keiner ohne die IT.

Was ist aus Ihrer Sicht für Marken und große Retailer 2023 wichtig, also was sollten sie auf keinen Fall aus den Augen verlieren?

Die Themen, die in den vergangenen zehn Jahren immer wieder genannt wurden, also Mobile First und vor allem Personalisierung, sind weiterhin enorm relevant. Ich muss mich quasi in jeden einzelnen Kunden hineinversetzen und mir überlegen: Warum kauft er meine Lösung und wie kann ich sie für ihn besser machen als andere Lösungen? Aber es geht unbedingt um die Umsetzungsgeschwindigkeit. Man hat halt nicht mehr die Zeit auf Digitalisierung zu warten, weil dann andere Plattformen möglicherweise den Kundenzugang wegnehmen. Das Thema Zeit muss man deshalb als oberste Prämisse in der Steuerung verankern – und eben nicht darauf warten, dass man die perfekte Lösung findet, oder noch mal zehn Beratungsunternehmen beauftragen. Das wäre mein wichtigster Tipp: Das Management muss eher dafür sorgen, dass mehr Dinge gleichzeitig und auch schneller passieren, als danach zu schauen, dass nur das richtige passiert.

In unserer Welt kann ohnehin keiner mehr in die Zukunft blicken: Niemand weiß, wie morgen Kunden entscheiden, warum sie so entscheiden und was die Treiber sind. Der neue Skill ist deshalb, einfach schneller anpassungsfähig zu sein als der Wettbewerb. Wenn Unternehmen das berücksichtigen, können sie erst einmal alles andere vergessen. Das ist der einzige echte Erfolgsfaktor, wenn man sich digitale Geschäftsmodelle oder Projekte anschaut, die erfolgreicher sind als andere. Dies passiert nicht, weil es die bessere Idee war, weil mehr Geld investiert wurde oder weil sie einen besseren strategischen Zugang zu Kunden, Lagerware o.ä. hatten, sondern weil sie sich schneller anpassen konnten. Dies sollte 2023 der hauptsächliche Maßstab für Entscheidungen werden.


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