Die Digitalisierung des Handels: Eine Bestandsaufnahme

Die Digitalisierung ist eine der größten Herausforderungen für den Handel. So halten sich 73 Prozent der deutschen Handelsunternehmen hier für Nachzügler und nur 23 Prozent für Vorreiter und Gestalter. Eine Studie des Bitkom gibt einen Überblick über die Situation.

„Die Digitalisierung verändert nicht nur die Handelslandschaft massiv, sie verändert auch die Bedürfnisse der Verbraucher. Jeder kann mit seinem Smartphone einkaufen, was er will, wann er will und wo er will – und sich die Waren kostenlos nach Hause liefern lassen. Der Handel muss sich auf diese Bedürfnisse einstellen. Doch das gelingt noch nicht allen“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Es geht nicht nur darum, neue Services anzubieten, sondern vor allem darum, dem Kunden den Einkauf auf möglichst vielen Kanälen zu ermöglichen. Die Grenzen zwischen Online und Offline verschwinden im Handel zusehends, E-Commerce, Mobile-Commerce und mittlerweile auch Voice-Commerce erweitern das traditionelle Geschäftsmodell. Das gilt für sämtliche Bereiche von Kleidung über Elektronik bis hin zu Lebensmitteln.“

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Jedes vierte Unternehmen handelt ausschließlich offline

66 Prozent der Handelsunternehmen verkaufen ihre Produkte sowohl stationär als auch online. 25 Prozent bieten sie ausschließlich stationär an und sechs Prozent lediglich im Internet. Diejenigen Händler, die auch online verkaufen, erzielen damit erhebliche Umsätze: So geben vier von zehn Unternehmen (41 Prozent) an, 30 bis 50 Prozent des Gesamtumsatzes stamme aus dem Internetgeschäft. 37 Prozent generieren so zehn bis 30 Prozent ihres Umsatzes und immerhin acht Prozent erwirtschaften mehr als die Hälfte ihres Umsatzes online. „Wer nicht online ist, verpasst nicht nur den Anschluss – er verzichtet auch auf zusätzliche Einnahmen“, sagt Berg.

Fast jedes Handelsunternehmen hat heute eine eigene Webseite (98 Prozent). Jedes dritte (35 Prozent) macht bei Verkaufsplattformen wie Amazon oder Ebay auf sich aufmerksam, jedes vierte (26 Prozent) hat eine Präsenz in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter. 13 Prozent verfügen über einen Eintrag auf Bewertungsplattformen, mit Influencern arbeiten dagegen nur sehr wenige Händler (ein Prozent) zusammen.

Schneller Versand wird zum Standard

Bei den digitalen Services im Online-Handel ist vor allem der schnelle Versand weit verbreitet: Mehr als jedes zweite Handelsunternehmen (56 Prozent), das im Netz Geschäfte macht, bietet einen Versand am gleichen Tag an, 17 Prozent sogar innerhalb von einer oder zwei Stunden. Click & Collect, also das Abholen einer Online-Bestellung in einer Filiale, ist bei 53 Prozent der Händler verfügbar. Um den Kunden ein möglichst genaues Bild der Produkte zu vermitteln, setzen zwölf Prozent auf Bilder und Bewertungen anderer Käufer. Sieben Prozent nutzen dafür bereits Augmented Reality oder Big Data. Jeder fünfte Händler (19 Prozent) gibt an, den Einsatz dieser Technologien in der nächsten Zeit zu planen oder zumindest intern zu diskutieren.

„Etwa im Bereich von Kleidung können Augmented Reality oder Big Data hilfreich sein. Individuelle und vor allem smarte Größenberatung auf Basis tausender Datensätze ist genauer als nur ein einziges Kleidermaß. Je exakter und realitätsgetreuer ein Kunde online einkaufen kann, desto geringer fällt auch das Risiko einer Rücksendung aus“, betont Bitkom-Präsident Achim Berg.

Bargeldlos bezahlen, Kunden-WLAN und mehr

Im stationären Einzelhandel ist das bargeldlose Bezahlen mit Karte mit 98 Prozent fast überall möglich. 70 Prozent der Geschäfte bieten außerdem WLAN für die Kunden an. 22 Prozent haben eine App mit einem Bonusprogramm, weitere 20 Prozent informieren über Tablet-PCs in ihrem Laden über Produkte und Sonderangebote. Kaum verbreitet sind hingegen Virtual-Reality-Brillen (ein Prozent). Allerdings planen oder diskutieren vier Prozent deren Anschaffung, drei Prozent der stationären Händler denken außerdem über die Einführung von Service-Robotern nach.

Mehr Geld für Digitalisierung

Online wie offline wollen viele Handelsunternehmen außerdem weiter in die Digitalisierung investieren: 19 Prozent sagen, die Investitionen in diesem Bereich werden 2019 im Vergleich zu 2018 stark zunehmen. 26 Prozent sagen, die Investitionen nehmen eher zu. Nur acht Prozent geben weniger aus, bei 42 Prozent bleibt die Summe 2019 gleich hoch wie im Vorjahr. „Umso mehr Wege die Händler nutzen, ihre Kunden anzusprechen und umso bessere Services sie anbieten, desto eher können sie auf dem umkämpften Markt bestehen – das gilt für den Online-Handel ebenso wie für Ladengeschäfte“, sagt Berg.

So sind auch 62 Prozent aller befragten Händler der Meinung, der Handel in den Innenstädten müsse sich neu erfinden. 81 Prozent gehen davon aus, dass On- und Offline-Handel miteinander verschmelzen. 86 Prozent befürchten jedoch auch, dass die Digitalisierung insgesamt das Händlersterben beschleunigen wird.

Handel sucht Fachkräfte mit Digitalkompetenz

Viele Unternehmen wollen für die Digitalisierung neue Mitarbeiter einstellen. 28 Prozent möchten ihren IT-Bereich in den kommenden fünf Jahren personell aufstocken, 21 Prozent bauen im Verkauf und zehn Prozent im Bereich Logistik die Personaldecke aus. In der Verwaltung sind am ehesten Einschnitte zu erwarten: 19 Prozent der Unternehmen wollen hier bis 2024 Mitarbeiter entlassen. Der Bedarf ist groß: 71 Prozent der Unternehmen sagen, sie hätten große Probleme, Mitarbeiter mit digitalen Fachkenntnissen zu finden – dieses wird als noch größere Herausforderung wahrgenommen als die Digitalisierung an sich (65 Prozent). Schwierigkeiten bereiten ebenfalls die Suche nach Fachkräften und Mitarbeitern mit nicht-digitalen Kompetenzen (59 Prozent), die steigenden Ausgaben für die Miete (53 Prozent) oder die Konkurrenz durch andere Wettbewerber (29 Prozent).

Abschreckend wirken für viele die Datenschutzvorgaben. 98 Prozent sagen, der Aufwand hierfür sei der größte Nachteil, den die Digitalisierung mit sich bringe. „Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen tun sich mit den Datenschutzvorgaben insbesondere durch die DSGVO schwer. Hier sind noch Nachbesserungen nötig, damit Entwicklung und Innovation zwar mit dem Schutz personenbezogener Daten im Einklang stehen, von diesem jedoch nicht ausgebremst werden“, betont Berg. 86 Prozent der Unternehmen bemängeln außerdem hohe Investitionskosten, 64 Prozent befürchten den Verlust des persönlichen Kontakts zum Kunden.

Die Kasse ist ein Auslaufmodell

In die Zukunft schaut der Handel jedoch insgesamt optimistisch, und er sieht zahlreiche Innovationen kommen: So glauben 19 Prozent, dass im Jahr 2030 Verkaufsroboter durch Geschäfte führen werden. 39 Prozent halten dann Warenlieferungen per Drohne für verbreitet und jeder Zweite rechnet damit, dass Geschäfte durchgängig geöffnet haben. Fast acht von zehn Händlern (77 Prozent) sehen den Abschied von der Kasse gekommen: Sie gehen davon aus, dass das Bezahlen in vielen Geschäften automatisch abläuft. „Die Händler sehen, dass ihnen die Digitalisierung enorme Chancen bietet“, bilanziert Berg. „Digitale Technologien und Lösungen gibt es nicht nur für den E-Commerce – sie können auch klassische, traditionelle Geschäfte beleben und ihnen den Weg in eine erfolgreiche Zukunft ebnen.“

Über die Studie

Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 504 Händler – online wie offline – im Groß- und Einzelhandel in Deutschland befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.

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