Deutscher E-Commerce: Von Barrierefreiheit noch weit entfernt

Obwohl am Horizont bereits eine gesetzliche Regelung droht, sind die meistbesuchten deutschen E-Commerce-Angebote nur selten barrierefrei. Gerade bei der Tastatursteuerung versagt ein Großteil von ihnen. Dies zeigt eine aktuelle Untersuchung von Google und der Aktion Mensch, die auch Handlungsempfehlungen gibt.

Hoffentlich barrierefrei. Rollstuhlfahrerin nutzt Laptop

Eine barrierefreie Nutzung ist für rund zehn Prozent der Deutschen unerlässlich und für 30 Prozent notwendig, weshalb ihr Fehlen viele potentielle Kunden ausschließt. In der Praxis stießen die sieben beauftragten Tester der Stiftung Pfennigparade und der Beratungsfirma BITV-Consult jedoch immer wieder auf hohe Hürden, da die Onlineshops kaum auf ihre verschiedenen Behinderungen zugeschnitten waren. Besonders negativ fiel auf, dass sich 61 der insgesamt 78 ausprobierten Portale nicht ausschließlich über die Tastatur bedienen ließen. Da dies eine absolute Grundvoraussetzung für barrierefreies Surfen darstellt, wurden nur die übrig gebliebenen 17 Angebote genauer unter die Lupe genommen.

Unterschiede in Barrierefreiheit

Auch dort zeigten sich große Unterschiede, da nicht jedes Vorgehen gut durchdacht ist. Die Cookie-Einwilligung war auf einigen Webseiten mit der Tab-Taste nur schwer oder gar nicht erreichbar, weshalb das Vorbild hier dm.de lauten sollte. Ikea zeigt hingegen, wie eine Option zum Überspringen der üblichen Navigation durchdacht integriert werden kann. Alle verbliebenen Teilnehmer überzeugten bei der für Sehbehinderte wichtigen Beschriftung von Formularen. Beim Hineinzoomen in die Webseite kam es jedoch bei zwei von ihnen zu einem Informationsverlust.

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Nur Ikea konnte bei der Verständlichkeit von Überschriften punkten, zumal sie zusätzlich in eine sinnvolle Hierarchie geordnet sind. Damit eignet sich die Webseite gut für den Einsatz von Screenreadern. Bei zwölf Webseiten waren die interaktiven Bedienelemente im Bestellprozess korrekt beschriftet und konnten problemlos angepasst werden, um beispielsweise eine andere Kleidungsgröße als die vorausgewählte zu erhalten.

Insgesamt muss also noch viel getan werden, bevor am 28. Juni 2025 die EU-Richtlinie zur digitalen Barrierefreiheit und damit in Deutschland auch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft tritt. Unternehmen im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs müssen dann verpflichtend auf Barrierefreiheit achten, wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben. Lediglich Firmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Umsatz unter zwei Millionen Euro sind ausgenommen.

Unterstützung bei der Umsetzung

Um den eigenen Stand einschätzen zu können, empfiehlt sich ein Blick auf die Best-Practice-Beispiele im Testbericht (www.aktion-mensch.de/test-barrierefreie-webshops) und die Verwendung eines Tools wie Wave, das Barrieren auf der Webseite aufzeigt. Zudem sollte man schauen, was bei der Nutzung eines Screenreaders wie Google Talkback positiv bzw. negativ auffällt und natürlich das Feedback von Menschen mit Behinderung einholen. Die Verantwortlichen möchten die Untersuchung im nächsten Jahr wiederholen – dann hoffentlich mit besseren Ergebnissen.

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