Digitalisiert, ausgelaugt, unter Druck: Wo der Handel heute wirklich steht

Trotz wachsender Digitalinitiativen, nachhaltiger Ambitionen und neuer Verkaufskanäle zeigt die aktuelle IHK-ibi-Handelsstudie 2024, wie tief der deutsche Einzelhandel in strukturellen Herausforderungen steckt. Digitalisierung findet statt – aber oft unter prekären Bedingungen. Gleichzeitig bremsen Bürokratie, Marktplatzkonkurrenz und Personalmangel die Entwicklung aus.

Multikanal ist mittlerweile Standard: Nur noch 38 % der Unternehmen verkaufen ausschließlich stationär. Die meisten Händler kombinieren heute Webshops, soziale Medien oder Plattformen mit dem physischen Geschäft. Ein durchdachter Fahrplan fehlt jedoch vielerorts. Gerade kleine und mittlere Unternehmen kämpfen mit mangelnden Ressourcen, Know-how-Lücken und fehlender Zeit. Im Vergleich zu 2020 bewerten heute deutlich weniger Händler ihre digitale Aufstellung als gut.

Dazu kommt: Nur rund jedes vierte Unternehmen verfügt über eine klar formulierte Digitalstrategie. Die Diskrepanz zwischen technischer Umsetzung und strategischer Einbettung bleibt groß. Digitalisierung geschieht, aber oft reaktiv und unter Druck – nicht als gezielte Weiterentwicklung.

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Belastungsfaktoren: Bürokratie, Konkurrenz, Fachkräftemangel

Ein zentraler Bremsfaktor bleibt die Bürokratie. 25 % der befragten Unternehmen geben an, durch gesetzliche Vorgaben stark eingeschränkt zu sein – quer durch alle Größenklassen. Kleine Betriebe leiden unter Kassenrichtlinien und steuerlicher Dokumentationspflicht, größere unter regulatorischen Auflagen wie dem Lieferkettengesetz. Der Innovationsspielraum schrumpft unter der Last der Vorgaben.

Hinzu kommt ein spürbar verschärfter Wettbewerbsdruck. Drei Viertel der Händler sehen Plattformen wie Amazon als Bedrohung. Auch außereuropäische Anbieter wie Temu oder SHEIN bereiten Sorge – vor allem, weil sie nicht denselben Regulierungen unterliegen. Faire Marktbedingungen geraten so zunehmend aus dem Gleichgewicht.

Parallel dazu bleibt der Fachkräftemangel ein strukturelles Problem. 38 % der Unternehmen berichten von Personalengpässen – bei Großunternehmen liegt dieser Wert bei 79 %. Zugleich belasten hohe Energiepreise jeden zweiten Betrieb.

Zwischen Engagement und Erschöpfung

Trotz dieser Rahmenbedingungen versuchen viele Händler, nachhaltige und zukunftsfähige Konzepte umzusetzen. Zwei Drittel der befragten Unternehmen engagieren sich freiwillig für mehr Umweltbewusstsein. Doch zusätzliche Kosten und bürokratische Hürden bremsen diesen Wandel oft aus – vor allem dann, wenn Kunden nicht bereit sind, höhere Preise mitzutragen.

Auch beim Thema IT-Sicherheit wächst die Herausforderung. Besonders größere Betriebe berichten verstärkt von Cybervorfällen – von Phishing über Systemausfälle bis hin zu gezielten Angriffen. Je stärker die digitale Vernetzung, desto höher das Risiko. Wer digital arbeitet, braucht auch digitalen Schutz – doch dieser ist vielerorts noch unzureichend verankert.

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