Wie Online-Plattformen den stationären Handel erobern

Nicht nur Online-Marken haben damit begonnen, eigene stationäre Geschäfte zu betreiben. Auch immer mehr Plattformen gehen den Weg in die Innenstadt. Angeführt wird die Entwicklung von Amazon, Facebook, Alibaba und JD.com.

Neu ist der Trend eigentlich nicht: Bereits 2008 eröffnete die Mymuesli GmbH ihren ersten eigenen Laden. Davor hatte das Passauer Unternehmen seine individuellen Müsli-Mischungen ausschließlich online verkauft. Zu seinen besten Zeiten betrieb Mymuesli 50 Filialen, zudem sind die Produkte inzwischen auch in zahlreichen Supermärkten zu finden. Andere Marken und Händler tun es den Müsli-Mischern gleich: Cyberport, Notebooksbilliger, Zalando, Mister Spex, Doc Morris und Mytoys sind nur einige weitere Beispiele für Online-Player, die in das stationäre Geschäft eingestiegen sind. Tatsächlich betreiben laut einer Studie des EHI 57 Prozent der 1.000 umsatzstärksten Onlineshops in Deutschland auch eigene Filialen.

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Warum Onlinehändler offline gehen

Die Gründe liegen auf der Hand. Eigene Geschäfte bedeuten erhöhte Sichtbarkeit, Bekanntheitsgrad und Glaubwürdigkeit. Laufkundschaft und Impulskäufe erhöhen den Umsatz zudem noch weiter. Zudem besteht im Laden die Chance, die Kunden besser kennenzulernen und so die Customer Journey weiter zu verfeinern.

Onlineriesen wie Amazon, Facebook, Alibaba und JD.com geben sich mit solchen Zielen jedoch nicht zufrieden. Bei ihnen besteht weder die Notwendigkeit, ihre Sichtbarkeit weiter zu steigern, noch ist der zusätzliche Umsatz, den etwa ein Amazon-Pop-up-Store in Berlin erzeugt, für die Bilanz der globalen Riesen von Bedeutung. Die Ziele, die sie verfolgen, sind andere.

Verschiedenste Strategien der Onlineriesen

Bei dem chinesischen Online-Marktplatz Alibaba geht es in Sachen „New Retail“ vorrangig um die Verknüpfung der Kanäle. Das Credo hierbei lautet: Der Kunde unterscheidet nicht zwischen On- und Offline-Kanälen, also sollte es der Händler auch nicht. Dabei steht als „Fernbedienung für das Leben“ das Smartphone des Kunden im Mittelpunkt. Über die Alibaba-App wird mit Hilfe von Livestreaming, Kurzvideos und Gamification die Grenze zwischen Shopping und Entertainment verwischt. Und auch im stationären Handel soll so viel wie möglich über die Plattform von Alibaba geschehen, wie es das Supermarktkonzept Hema verdeutlicht. Egal wo der Kunde ist, Alibaba soll stets bei ihm sein – und bietet stationären Händlern Lösungen an, um dies zu verwirklichen.

Einen anderen Weg geht JD.com mit seiner Retail-as-a-Service-Strategie. Der chinesische Online-Gigant betreibt in seiner Heimat über 100 Filialen, in denen der Checkout kassenlos abläuft und kein Personal mehr nötig ist. Anstatt nun aber groß oder gar weltweit ins stationäre Geschäft einzusteigen, bietet das Unternehmen seine technologischen Lösungen anderen Händlern an. So kann es nicht nur leichter global agieren und sich Investitionen wie etwa in Immobilien sparen, es bestimmt auch aktiv mit, wie der Handel der Zukunft aussieht.

Facebook und Amazon

Facebook ist kein traditioneller Händler – trotzdem blickt das soziale Netzwerk sehr stark auf die Entwicklung des Handels. Da es mit Anzeigen im eigenen Netzwerk Geld verdient und Händler und Marken die Hauptkunden dabei sind, ist das Unternehmen stets daran interessiert, ihnen neue Möglichkeiten zur Präsentation zu geben. Die neueste Idee sind dabei Pop-Up Stores, wie sie aktuell in Warenhäusern von Macy’s betrieben werden. Dort können kleine Unternehmen unter der Marke des sozialen Netzwerks auftreten. Die Pop-up Stores orientieren sich dabei am Facebook-Design: Einzelne Produkte werden so präsentiert, wie Beiträge im Newsfeed angezeigt werden, sogar inklusive Like-Button. Da das Pop-up von Macy’s betrieben wird, muss Facebook keine größeren Investitionen tätigen, kann aber die Marken und Händler besser an sich binden.

Amazon schließlich ist – zumindest in den USA – bereits stark in der Fläche vertreten. Zählt man alle Whole-Foods-Supermärkte, Bücherladen, Pop-Up Stores, Cafés etc. zusammen, kommt das Unternehmen auf über 600 physische Präsenzen in den Vereinigten Staaten. Es ist dort also gerade dabei, den stationären Handel umzukrempeln. Dass es Amazon geschafft hat, den Umsatz von Whole Foods deutlich zu steigern, zeigt, dass die Strategie des Unternehmens, bei der auf neue Technologien wie etwa In-Store-Analysen, Künstliche Intelligenz und kassenlose Checkout-Systeme gesetzt wird, aufgeht. Amazon scheint also auf gutem Weg zu sein, nach dem Online-Handel auch das stationäre Geschäft in den USA zu dominieren.

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