KI im Handel: Zwischen Experiment und echtem Mehrwert

Viele Unternehmen beschäftigen sich inzwischen mit Künstlicher Intelligenz (KI). Doch im Handel bleibt der große Durchbruch noch aus. Eine neue Studie von valantic und dem Handelsblatt Research Institute zeigt, wie unterschiedlich der Reifegrad im Markt ist – und wo die größten Potenziale liegen.

Die Erhebung unter 500 Entscheidern aus der DACH-Region macht deutlich: KI wird branchenübergreifend als wichtig eingeschätzt, aber die tatsächliche Umsetzung bleibt im Handel vergleichsweise verhalten. Während rund 70 Prozent der befragten Unternehmen insgesamt bereits konkrete Mehrwerte durch KI erzielen, liegt dieser Anteil im Handel deutlich niedriger. Gerade einmal 41 Prozent der Handelsunternehmen geben an, dass sie mit KI bereits produktiv arbeiten. Und nur etwa ein Drittel erkennt daraus einen klaren wirtschaftlichen Nutzen.

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Großes Interesse, aber zurückhaltende Umsetzung

Fast alle Befragten aus dem Handel (95 Prozent) halten KI grundsätzlich für relevant – damit liegt die Branche im Vergleich sogar über dem Durchschnitt. Doch zwischen theoretischer Relevanz und praktischer Umsetzung klafft eine Lücke. Viele Handelsunternehmen befinden sich erst in der Test- oder Pilotphase. Besonders verbreitet ist KI bisher in der Kundenkommunikation, etwa über Chatbots. Deutlich seltener kommt sie zum Einsatz in komplexeren Bereichen wie dynamischer Preisgestaltung, automatisierter Sortimentsplanung oder Supply-Chain-Optimierung.

Ein Grund dafür ist die heterogene Struktur vieler Handelsunternehmen. Kleinteilige Prozesse, veraltete IT-Systeme und unzureichend verfügbare Daten erschweren die Integration lernender Systeme. Hinzu kommt, dass der Druck zur Effizienzsteigerung oft kurzfristig ausgerichtet ist, während KI-Anwendungen meist einen längerfristigen Planungs- und Entwicklungsaufwand benötigen.

Was erfolgreiche KI-Projekte auszeichnet

Die Studie zeigt: Unternehmen, die mit KI bereits wirtschaftliche Erfolge erzielen, unterscheiden sich in mehreren Punkten vom Rest. Sie verfügen über eine klar verankerte KI-Strategie, nutzen durchgängige Systemarchitekturen und sichern sich Rückhalt aus dem Top-Management. Auch die Integration in bestehende Prozesse ist bei diesen Unternehmen weiter fortgeschritten. Zudem sind sie stärker in der Lage, Ergebnisse zu messen und gezielt weiterzuentwickeln.

Im Schnitt beziffern erfolgreiche Unternehmen den finanziellen Mehrwert durch KI auf 10 bis 19 Prozent. Auch Effizienzgewinne wie Zeitersparnis, optimierte Abläufe und bessere Datenverfügbarkeit spielen eine zentrale Rolle. Rund 70 Prozent der erfolgreichen KI-Nutzer geben an, dass sich der Return-on-Investment innerhalb von zwölf Monaten einstellt.

Handel mit Nachholbedarf – aber klaren Chancen

Trotz des derzeitigen Rückstands bietet der Handel ein enormes Feld für KI-Anwendungen. Vor allem im Bereich personalisierter Angebote, automatisierter Produktbeschreibungen, Bestandsmanagement und Logistik bestehen große Potenziale. Die Voraussetzungen dafür sind bekannt: strukturierte Daten, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und ein konkreter Nutzenfokus. Die Studie zeigt auch: Gerade kleinere Unternehmen mit pragmatischen Ansätzen und überschaubaren Zielsetzungen erzielen oft schneller Erfolge als große Organisationen mit schwerfälligen Prozessen.

Wer im Handel heute mit KI beginnt, kann noch Pionierarbeit leisten – vorausgesetzt, es gelingt der Übergang von punktuellen Tests hin zu echten, skalierbaren Anwendungen. Dafür braucht es keine Tech-Visionen, sondern klare Ziele, realistische Use Cases und die Bereitschaft, auch bestehende Strukturen zu hinterfragen.

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