Lebensmittel-Lieferpionier wagt zweiten Anlauf

In den USA konnte bislang kaum ein Unternehmen Amazon und Walmart bei der Lieferung von frischen Lebensmitteln etwas entgegensetzen – die meisten Konkurrenten sind zumindest derzeit noch stark lokal begrenzt unterwegs. Ein Vorreiter des dortigen Handels will die Retail-Giganten nun allerdings mit moderner Technologie kontern.

Der nunmehr 71-jährige Louis Borders gründete gemeinsam mit seinem Bruder vor ungefähr einem halben Jahrhundert einen Buchladen in Michigan und nutzte ihn als Basis, um mit der Borders-Kette landesweit zu expandieren. Eines der Erfolgsgeheimnisse war eine damals noch unübliche proprietäre Software zur Bestandsverwaltung. Zudem erkannte Borders früh das Potential des Internets. Bereits seit 1996 verfolgte er die Idee eines Online-Lebensmittellieferdienstes, die er 1999 mit Webvan sogar erstmals in die Tat umsetzte. Der Dotcom-Crash im März 2000, mangelndes Interesse der Konsumenten und weitere Probleme führten allerdings dazu, dass dieser Service nur bis 2001 überlebte.

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Automatisierung als Vorteil

Der Grundgedanke blieb aber wohl weiter im Hinterkopf von Borders, der seine bereits vor acht Jahren ins Leben gerufene und simpel Home Delivery Service (HDS) genannte Firma anlässlich des angedachten Marktstarts nun wieder ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Diese verfolgt ein ähnliches Konzept wie damals Webvan: Produkte sollen ohne Lieferkosten zu konkurrenzfähigen Preisen direkt von Warenlagern zu Konsumenten geliefert werden. Der größte Unterschied zum Vorgänger ist der Einsatz von Robotern, um die Kosten niedrig zu halten. HDS will laut dem aktuellen Plan mindestens hundert vollständig automatisierte Auslieferzentren mit ca. 14.000 Quadratmetern Fläche errichten, in denen Maschinen jeden Arbeitsschritt übernehmen. Die Belegschaft soll jeweils ganze 60 Mitarbeiter umfassen, die die Maschinen warten und die Qualität der Produkte prüfen.

Besonders frisch?

Zu den Vorzügen des Systems zählt HDS die besondere Frische von Obst, Gemüse und Fleisch gegenüber Ladengeschäften, die einfache Rückgabe von Waren, wiederverwendbare Behälter ohne Kartonabfall, Lieferzeiten je nach Wunsch (selbst Expresslieferungen innerhalb einer Stunde sollen möglich sein) und die Zustellung aller Waren in einem einzigen Vorgang. Obwohl frische Lebensmittel wohl das größte Lockargument für das Angebot sind, wird auf der Webseite schon von Kleidung und Kosmetik im Sortiment gesprochen.

HDS will bei seinem Service mit Partnern aus dem Handel zusammenarbeiten, um diesen einen neuen Absatzkanal zu bieten. Zudem sollen Lizenzen für den Betrieb der notwendigen Lager an erfahrene lokale Anbieter vergeben werden – nach Firmenangaben wurde eine erste für Chicago bereits gewährt. Das erste eigene Projekt startet 2021 in San Francisco. Allerdings sollen zuvor erst einmal 25 Millionen Dollar Investionskapital aufgetrieben werden.

Namhafte Partner (für die Technologie)

Also große Töne, nichts dahinter? So lässt sich dies auf keinen Fall sagen, da HDS seit Jahren intensiv an seinem RoboFS-System zur vollständigen Automatisierung zahlreicher Logistik- und Fertigungsaufgaben arbeitet – und mit Toyota sowie Ingram Micro namhafte Partner für sich gewinnen konnte. Diese investierten bereits einige Millionen Dollar, um die Technologie in ihrem Bereich jeweils exklusiv nutzen zu dürfen.

Seinen größten Vorteil sieht Borders darin, dass Lebensmittelauslieferung nicht zu Amazons Kernkompetenzen gehöre und der Markt aktuell viele Probleme habe. Derzeit würde zwar viel Essen und Trinken zu den Verbrauchern gebracht, das Servicelevel sei aber beispielsweise zu niedrig und die Gebühren zu hoch, erklärte Borders laut Forbes. Deshalb hält er nun die Zeit für seinen Markteinstieg gekommen.

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