Corona-Virus lässt kontaktlosen Commerce boomen

Drohnen, Smartphones, Computer und Roboter kämpfen zwar öfter einmal mit Viren. Dabei handelt es sich aber nie um die Corona-Variante, die seit Jahresbeginn die weltweiten Schlagzeilen beherrscht. In China profitieren deshalb Unternehmen wie JD.com, die ihre Aufgaben auch ohne direkten menschlichen Kontakt erledigen – was den Wandel der dortigen Handelslandschaft eventuell weiter beschleunigt.

JD.com ist in China nun verstärkt mit autonomen Lieferfahrzeugen und Drohnen unterwegs. (Bild: JD.com)

Dass dies nichts ungewöhnliches wäre, zeigt der Ausbruch des SARS-Erregers 2003. Dieser zwang beispielsweise den Gründer von JD.com, sein zuvor rein auf stationären Läden basierendes Geschäftsmodell zu überdenken und sich stark auf den E-Commerce zu konzentrieren. Daraus entwickelte sich der nach Nutzerzahlen zweitgrößte und laut Umsatz größte Internethändler des Landes. JD.com kommt nach aktuellen Zahlen auf mehr als 330 Millionen aktive Konsumenten, Rivale Alibaba versorgt 711 Millionen.

Anzeige

Eigene Logistik als Trumpf

Auch dieses Verhältnis könnte sich nun aber zu Gunsten von JD.com verschieben, da das Unternehmen anders als Alibaba nicht auf die derzeit nur eingeschränkt agierenden externen Zulieferer angewiesen ist. In den vergangenen Jahren wurde mit JD Logistics die weltweit größte Fulfillment-Infrastruktur eines E-Commerce-Unternehmens aufgebaut und massiv in technologische Fortschritte wie Lieferdrohnen, vollautomatisierte Lager oder autonome Lieferroboter investiert – die nun natürlich ebenso wie die vielen beschäftigten Kuriere äußerst gefragt sind.

Laut JD.com zeigen sich gerade in der Krise die Vorteile des eigenen intelligenten Lagersystem, das ähnlich wie ein zentrales Nervensystem die Planung, Terminierung und den Transport zwischen verschiedenen Lagern koordiniert und durch eine schnelle Umstellung Zwischenstopps in den besonders vom Virus betroffenen Regionen vermeidet. Dass dies so einfach gelingt, liegt auch an den 25 in den vergangenen fünf Jahren entstanden hochautomatisierten Logistikparks, von denen der größte ganze 500.000 Quadratmeter Fläche belegt und 1,6 Millionen Bestellungen pro Tag bearbeiten kann. Im Epizentrum Wuhan liefern derweil autonome Roboter Produkte aus, darunter auch medizinischer Nachschub sowie Versorgungsgüter für Ärzte und Krankenbetreuer.

Berichtet wurde ebenfalls, dass eine Drohne erstmals die Belieferung eines Dorf auf der anderen Seite des Baiyang-Sees übernimmt, das normalerweise per Boot angesteuert wird. Ohne sie wäre ein mehr als hundert Kilometer langer Umweg nötig, um die in gerade einmal zwei Kilometern Luftlinie liegende Siedlung zu erreichen. Die Bestellungen, die Snacks, Elektronik und andere Waren des täglichen Bedarf umfassen können, werden dabei an einem bestimmten Punkt im Dorf abgeladen, wo die Einwohner sie ohne zwischenmenschlichen Kontakt abholen können. Diese Form der Lieferung ist inzwischen dort allgemein üblich: Auch menschliche Kuriere hinterlegen Produkte in den betroffenen Provinzen nun zur Abholung an festgelegten Punkten, ohne sie direkt zu übergeben.

Unterstützung für stationären Handel

JD.com hilft zudem den aufgrund der Epidemie betroffenen stationären Läden, mit seiner Cloud Store-Lösung einen Teil der um diese Zeit eigentlich recht hohen Einnahmen im Internet zu generieren. Seit dem 10. Februar sind nach Unternehmensangaben mehr als 2.000 Verkäufer darüber online gegangen. Innerhalb von sieben Tagen hätten sich die Umsätze dabei bereits auf über 10 Millionen Yuan (ca. 1,32 Millionen Euro) summiert.

Ganz ohne zusätzliche menschliche Unterstützung kommt auch JD.com bei seinen unzähligen und den Rahmen eines Artikels sprengenden Maßnahmen nicht aus: Ganze 35.000 neue Voll- und Teilzeitstellen wurden in den Logistikzentren und für Heimarbeit geschaffen, wobei meist die Belegschaft von derzeit geschlossenen Lokalitäten übernommen wird.

Alibaba pessimistisch

Der CEO von Alibaba, Daniel Zhang, blickt sichtlich pessimistischer in die Zukunft als JD.com. Er warnte davor, dass es sich bei der Epidemie um ein „Schwarzer Schwanz“-Event handle, das signifikanten Einfluss auf die chinesische Ökonomie sowie eventuell auf die weltweite Wirtschaft habe und bereits „in naher Zukunft eine Herausforderung für die Entwicklung von Alibabas Geschäften auf breiter Front darstellen wird“. Der vom Finanzmathematiker und Börsenhändler Nassim Nicholas Taleb geprägte „Schwarze Schwan“-Begriff beschreibt Ereignisse wie die zufällige Entdeckung des Penicillins, die positiv oder negativ sein können, absolut überraschend kommen, gewaltige Auswirkungen haben und im Rückblick dennoch als vorhersehbar abgetan werden.

Weitere autonome Auslieferer

Neben JD.com schicken auch andere Unternehmen derzeit verstärkt regelmäßig desinfizierte Roboter auf die Straße, um bestellte Waren auszuliefern. Darunter ist der Händler Suning.com, der in Nanjing auf gerade einmal 1,25 Meter hohe Fahrzeuge setzt, die nicht nur selbstständig den Weg zum Ziel finden, sondern im Bedarfsfall auch Aufzüge nutzen können.

STARTSEITE